MOSAIK.

Ein weiteres Jahr neigt sich dem Ende ...

 

Einem Jahr kann man viele Metaphern zuschreiben ... für das Jahr 2019 passt ein Mosaik ganz gut. Für alle Ereignisse steht ein Tessera (lat. für Viereck). Mit diesen kleinen, viereckigen Plättchen aus Stein, Keramik, Erz, Terrakotta oder Glas, legt man Mosaike aus. Durch Zusammenfügen der verschiedenfarbigen Plättchen entsteht ein Bild. Aus der Nähe betrachtet, wirkt das Muster eines Mosaiks wild und ohne Struktur. Willkürlich. Oft lässt sich nicht erahnen, was sich aus den vielfarbigen Splittern für ein Bild ergeben könnte. Erst, wenn man einige Schritte zurückgeht, beginnen sich Formen und Muster abzuzeichnen.

 

Eine Begegnung, die einem bewegt. Einen Verlust, den man ertragen muss. Ein lustiger Moment, über welchen man auch Jahre später noch schmunzelt. Eine Trennung. Ein Violett gefärbter Himmel, den es so nur einmal gibt. Ein Reh, das einen Herzschlag lang die Natur verkörpert. Ein Lächeln. Ein Blick, der ein Leben verspricht ... Momente, die zu Geschichten werden. Geschichten, die unsere Wirklichkeit nähren. All diese kleinen und grossen Momente stehen für ein Tessera.

 

Gerade in schwermütigen Zeiten scheinen die kleinen Plättchen, auch zusammengefügt, keinen Sinn, kein Bild zu ergeben. Manchmal sind es graue, fast tiefschwarze Splitter, die nur ein Loch, einen Abgrund oder einen Schatten darstellen. Dunkelheit, erschaffen aus zahlreichen Ereignissen. Manchmal scheint alles Schwarz. Aber selbst in diese dunklen Muster stehlen sich farbige Fragmente hinein. Ein liebes Wort. Eine Berührung. Geschenkte Zeit. Mögen sie noch so klein sein, sie vermögen die Schwärze zu brechen.

 

Mit der Anhäufung von kleinen, farbigen Splittern ergibt sich irgendwann wieder die Möglichkeit, ein neues Bild zu erschaffen. Manchmal lassen sich graue Steinchen auch nachträglich bemalen. In jedem Fall, im Wissen darum. Manchmal muss man den grauen Haufen nehmen und auslegen. Ausschütten. Sichtbar machen. Bemalen. Bemalen lassen.

 

Goldene, silberne, bunte und wie Perlmutt schimmernde Tessera sind die Herzstücke des Mosaiks. Manchmal sind sie selten, nur an gewissen Stellen sichtbar. Rar. Manchmal scheint ein Jahr nur wenige dieser Stücke bereitzuhalten. In manchen Jahren, scheint das Mosaik nur zu glitzern und ist wunderbar vielfarbig. Strahlend.

 

Aus der Distanz betrachtet machen Ereignisse immer mehr Sinn. So wie ein Mosaik. Manchmal braucht man Zeit um Strukturen erkennen zu können. Ebenso hilft Distanz nehmen, Nähe zu schaffen. Zu sich. Zu anderen.

 

Ein Mosaik zu betrachten kann helfen, ein vergangenes Jahr anders zu begreifen. Es kann helfen zu verstehen, dass es auch graue Steinchen braucht, um die farbigen leuchten zu lassen.

 

Der gelungene Spruch «Gibt dir das Leben Zitronen, dann mach Limonade daraus.» bringt es keck auf den Punkt. Man hat nur das Falsche, wenn man nichts daraus macht. Das funktioniert auch beim Mosaik: «Gibt dir das Leben graue Steinchen, dann färbe sie bunt.» Wichtig dabei ist – nicht andersrum.

 

In diesem Sinne wünsche ich euch allen viele bunte und glitzernde Tessera fürs neue Jahr ...

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