«Schon immer wurde die Zeit mit den Instrumenten verwechselt, die sie messen.» Cees Nooteboom
1801. München. Der Polizeidirektor brüht über einer Idee, wie er die Rundgänge seiner Polizisten kontrollieren kann. Um Verlässlichkeit zu fördern, werden sogenannte Wächterkontrolluhren stationär installiert. Im Schwarzwald wurden später sogar tragbare Nachtwächterkontrolluhren entwickelt. Der durchschlagende Erfolg dieser Kontrolluhren legte den Grundstein für die nachfolgende Entwicklung der uns bekannten Zeiterfassungssysteme. Seit der Industrialisierung wird die Anwesenheit und Aufenthaltsdauer der Arbeiter minütlich aufgezeichnet.
«Es ist nicht zu wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist zu viel Zeit, die wir nicht nutzen.» Lucius Annaeus Seneca
Tempus fugit (lat. «Die Zeit flieht»)
Die Zeit bestimmt unser Handeln. Schon lange bevor die Uhr unsere Abläufe taktiert, teilten unsere Vorfahren ihren Tagesablauf durch Beobachtung der Himmelsgestirne Sonne und Mond ein. Die Nutzung der Zeit folgte wandernden Schatten und dem natürlichen Zyklus der Elemente und nicht dem Takt des Sekundenzeigers. Zeit war Begleiter und nicht Bestimmer. Erst die Definition «Zeit ist Geld» veränderte deren Nutzung.
«Zeit, die wir uns nehmen, ist Zeit, die uns etwas gibt.» Ernst Ferstl
Wenn wir den Blick von der Uhr abwenden und den Tag in seinem natürlichen Ablauf erleben, kann der prüfende Blick auf das Zifferblatt «erschrecken» ... einerseits, weil so viel oder aber wenig Zeit vergangen ist. Je nach Umständen verändert sich die Wahrnehmung. Manchmal läuft die innere biologische Uhr so genau, dass man die physikalische Zeit ziemlich präzise erahnen kann.
Wie geht man mit der Zeit um, wie kann man Zeit gewinnen?
Kann man Zeit überhaupt gewinnen, oder darf man sie einfach ignorieren ...?
Zeit ist ein Geschenk. Wenn man sie teilen kann, ist es das wertvollste Geschenk überhaupt.
Geschenkte Zeit ist Lebenszeit. Gelebte Zeit. Zeit hat man nicht, Zeit nimmt man sich. Was die Zeit betrifft, darf man Dieb sein – sich Zeit stehlen. Wenn die Zeit flieht, wie man sagt, muss man sie entweder ziehen lassen, oder sie ergreifen ... in beiden Fällen ohne zu zögern, sonst ist sie eben weg.
Unsere gesellschaftliche Prägung und Definition von Zeit, lässt sie geradlinig geschehen. Genormt. Industriell. Im Minutentakt. Wenn man sie als Kreis, als Zyklus, betrachtet, treibt sie uns nicht an, sondern umfliesst uns. Der physische Körper bewegt sich vorwärts, findet aber seine Ruhe und Heilung im Zyklus. In der natürlichen Wiederkehr. So wie es die Natur vorgibt ...
«Die Zeit verwandelt uns nicht, sie entfaltet uns nur.» Max Frisch
Unsere Lebenszeit wird irgendwann durch unser Geburtsjahr und den Zeitpunkt des Todes erfasst. Lebensdauer. Einerseits gibt es Leben, die in ihrer Blüte – vor ihrer Zeit – enden, andererseits gibt es alte Menschen, die des Lebens müde sind. Die Unwissenheit wieviel Zeit uns gegeben ist, ist eine tröstliche Tatsache, die für alle gleich ist. Ob wir uns von der Zeit bestimmen lassen oder ob wir einen Weg finden, sie zu unseren Vorteilen zu nutzen, liegt an uns.
Die Uhr ist ein menschliches Konstrukt und übt ihre Macht nur auf uns aus, wenn wir uns ihrer Gewahr werden. Wenn man die Zeit ohne die Uhr, den tüchtigen Sklaventreiber mit der Sekundenzeiger-Peitsche, erlebt, ist sie wie eine Blase. Eine Blase des Seins. Ohne Eile und Hast.
Pünktlichkeit wird in unserer Gesellschaft mit Verlässlichkeit und Höflichkeit verbunden. Zu-spät-Kommer mag niemand wirklich. Dabei ist gerade die kokett-schlagfertige Antwort von Gandalf auf Frodos Bemerkung: «Du bist recht spät» eine wunderbare Entmachtung der Uhr und deren einengendem Korsett: «Ein Zauberer kommt nie zu spät. Ebensowenig zu früh. Er trifft genau dann ein, wann er es beabsichtigt.» aus Herr der Ringe
In diesem Sinne: carpe diem.
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