Die Blumen und Pflanzen im Garten sind etwas farblos. Blüten und Blätter hängen hie und da etwas schlaff herunter. Sie brauchen Wasser. Energie. Leben. Unkraut macht sich auch in allen Ecken breit. Das muss gejätet werden.
Ich rolle den Gartenschlauch aus und drehe das Wasser auf. Ich begebe mich in die beste Position, um alle Pflanzen ideal bewässern zu können. Aber irgendwie tut sich nichts. Oder zumindest nicht viel. Aus der Spritzdüse tropft es lediglich. Ist es so, wie ich annehme? Der Klassiker? So ist es. Ich stehe mir, mit meinen quietscheentchen-gelben Gummistiefeln, selbst auf dem Schlauch. Aber so richtig. Ich schmunzle über mich selbst und korrigiere meinen Fauxpas.
Das Wasser bahnt sich seinen Weg durch den Kautschuk und sprudelt heraus. Ich lenke den Wasserstrahl über die Pflanzen, die sich beinahe nach den Tropfen zu strecken scheinen. Aber irgendwie fliesst es immer noch nicht so richtig. Nicht, dass ich den Garten gleich kärchern will, aber so ein bisschen mehr Druck sollte schon sein. An mir liegt es nicht. Ich stehe im Gras. Neben dem Schlauch.
Ich schaue nach hinten und folge mit meinem Blick dem Schlauch, der wie eine Schlange im kurzgewachsenen Gras liegt. Hä?! Wo kommt die Kiste plötzlich her? Ich drehe die Düse zu und schlendere zurück zu der Kiste. Habe ich die dort hingestellt? Direkt auf den Schlauch? Nö. Ich hebe sie an. Ziemlich schwer. Was ist überhaupt drin?
Ich öffne die Kiste und entdecke viel Verstaubtes.
Alte Bücher. Fotos. Kleine Andenken. Eine Uhr. Ein Teddybär. Es findet sich viel Unnötiges. Vieles sind gar keine Dinge. Irgendwie. Schräg. Es sind Prägungen. Glaubenssätze. Altlasten. Die «Dinger» sind kaum greifbar, aber schwer. Puh. Die Kiste steht ja nicht zufällig da. Die muss weg.
Aber bevor ich sie anhebe, miste ich aus. Verstaubtes muss nicht weg. Zumindest nicht alles. Erinnerungen dürfen eingetütet werden. Sie dürfen greifbar sein. Eine kleine, bunte Murmel, zum Beispiel, hat die Kraft ein Ereignis aus der Kindheit zum Leben zu erwecken. Es kann eine schöne aber auch traurige Erinnerung sein. Jeder entscheidet für sich selbst, ob er ein Andenken behalten will, das Emotionen auslösen kann. Schön oder traurig, in jedem Fall kann etwas Kleines, eine Zeitmaschine sein.
Während ich Dinge loswerde, die nicht mehr zu mir gehören, wird nicht nur die Kiste aufgeräumter und leichter, sondern auch ich. Beim Hinschauen und richtig Verstauen löst sich vieles einfach auf. Es wäre viel schneller gegangen, die Kiste ungeöffnet wegzustellen. Aber dadurch, wäre es nur ein Umstellen gewesen. Fast so wie «unter den Teppich kehren». Unerledigte Dinge bleiben aber auch unter dem Teppich als Beule sichtbar.
Deshalb habe ich mich der Kiste mit Zeit und Respekt gewidmet. Aufräumen. Ausmisten. Loslassen und Behalten. Ich vertraue auf mein Gefühl und meine Intuition, dass ich mich richtig entschieden habe.
Ich gehe zurück zum Wasserschlauch, drehe die Düse auf, und begiesse die schönen Blumen und Pflanzen. Das Wasser fliesst jetzt unaufhörlich. Wenn nicht ich selbst, oder eine Kiste auf dem Schlauch steht, fliesst alles wie von selbst. Einfach so. Lächelnd weiss ich, dass ich die Vergangenheit ab und zu mal anschauen und aufräumen muss, um in der Gegenwart für die Zukunft zu handeln.
So, das Bewässern war eine Wohltat. Für mich und das Grün. Ich freue mich auf die bunten Blumen und kraftvollen Pflanzen, die wachsen und blühen, und meinen Garten so schön und lebhaft machen.
Hm. Jetzt schau ich mal, wie viel Unkraut da liegt ...
Kommentar schreiben