Dekonstruktion.

Oft lässt sich nicht genau erkennen, wann, das etwas begonnen hat, aber manchmal kann man erahnen, wann es enden könnte ...

 

Der Mensch musste sich zu allen Zeiten vielen, grossen Herausforderungen stellen – unsere Gegenwart bietet ebenfalls zahlreiche. Eine davon, die wohl essenziellste, entpuppt sich als die schwierigste – das Mensch-sein. Bei wikipedia.org findet man unter dem Thema «Mensch» folgende Aussage: In mancher Hinsicht bleibt sich der Mensch auch bei intensiver Selbstprüfung und vielseitiger wissenschaftlicher Erforschung bislang ein Rätsel.

 

Wer sind wir? Was ist der Sinn des menschlichen Lebens?

Diese Fragen versuchen Wissenschaftler und Philosophen seit ewiger Zeit zu enträtseln. Manchmal mit mehr oder weniger Erfolg. Es scheint, dass sich die Fragen mit jeder neuen Generation wieder aufs Neue stellen. Vielleicht fällt es uns so schwer, eine Antwort zu finden, da wir den Fokus verlagern. Das Formen der Gesellschaft und der politischen Struktur unseres Lebensraumes, nimmt so viel von unserer Mensch-werdung ein, dass wir dabei das Mensch-sein vergessen.

 

In einer Dekonstruktion, die nicht nur psychisch, sondern vermehrt auch physisch ist, versucht der Mensch seinen Kern zu finden. Mit regelmässigen Spritzen und chirurgischen Eingriffen bekämpfen viele Menschen den Alterungsprozess, ändern das Geschlecht oder wollen sogar etwas gänzlich anderes  werden. Eine andere Person, ein Alien, ein Dämon, eine Elfe oder sogar ein Löwe. Der Körper wird auf eine Art deformiert, dass oft nicht mehr im Ansatz zu erkennen ist, wie der Mensch vor den Eingriffen ausgesehen haben könnte. Das vergangene Ich wird von Aussen so stark verändert, in der Hoffnung, die eigene Vergangenheit überschreiben, verändern oder aufheben zu können.

 

Findet man auf dieser grossen Suche nach dem Selbst, dem Mensch-sein, durch das Aussen den Weg ins Innen? Oder werden die Fragen beantwortet indem man vom Kern heraus die Fragen stellt? Welche Fragen stellt man? Können sie durch Psychologen beantwortet werden? Durch spirituelle Lehren? Durch Religion? 

 

Die Vergangenheit der Weltgeschichte wird ebenfalls systematisch verändert, indem sie umgeschrieben wird. Zurzeit wird viel darüber berichtet, dass diverse rassistisch anmutende Darstellungen für das öffentliche Bild aufgehoben werden. Zum Beispiel wird im Europa-Park die «Dschungel-Flossfahrt» geschlossen, weil die Bahn rassistische Stereotypen zeigt. Schwarze Personen in traditioneller Kleidung, daneben weisse Kolonialherren in beigen Safari-Anzügen und Hüten. Ist das wirklich der richtige Weg? Ausradierung? Die Vergangenheit erzählt die Geschichte der damaligen Menschen. Es sind Meilensteine in unserer Entwicklung. Es sind Tatsachen. Es ist geschehen.

 

Die Ausradierung der Taten unserer Vorfahren ist ein Versuch zu zeigen, dass wir etwas daraus gelernt haben, dass wir diese Vergangenheit anprangern und nicht gutheissen. Vielleicht ist es einfacher, die Vergangenheit zu verändern, als in der Gegenwart richtig zu handeln? Es ist einfacher sich gegen eine verstorbene Gesellschaft aufzulehnen, als im Hier und Jetzt, diskriminierende, rassistische und menschenverachtende Zustände zu bekämpfen. In der Fiktion gelingt es bestenfalls mit einer Zeitmaschine die Vergangenheit zu verändern ... aber auch da nur mit mässigem Erfolg. Die Bücher der Vergangenheit verändert man nur, indem man in der Gegenwart gute Geschichten schreibt.

 

In der öffentlichen Wahrnehmung versuchen wir allen Gruppen und Randgruppen gerecht zu werden. Die Gender-Regeln deformieren Texte, da sie bald mehr Aufwand verlangen, den Geschlechtern gerecht zu werden, als dem Inhalt. Wir fragen uns, wie wir dunkelhäutige Menschen am besten nennen sollen, wenn sie mit «Black lives matter» die schon lange überfällige Antwort gegeben haben. Wie formuliert man Sätze ohne jemanden zu diskriminieren? So lange es Grenzen und Gesetze gibt, wird unsere Herkunft und Hautfarbe immer relevant sein. Erst eine aufgeklärte, unvoreingenommene und selbst-bewusste Gesellschaft wird wissen, dass «Mensch» genügt.

 

Unsere Gegenwart wird weltweit von Corona dominiert. Kein Tag vergeht, ohne die Erwähnung der «Krone». Dementsprechend feinmaschig hat sich diese Covid-Decke über unsere Welt gelegt. So einnehmend, dass sich das Virus in Geschehnisse und Geschichten einnistet, wie man es sich vor der Pandemie niemals hätte vorstellen können. Selten hat etwas ähnliches Gesetze und Menschenrechte so schnell aushebeln können. Wie werden die vergangenen zwei Jahre in die Geschichtsbücher eingehen? Als Kampf gegen das Virus? Als Kampf für die Gesundheit? Wer wird der Sieger sein? Die Wissenschaft? Die Politik? Das Virus? Was wird in vierzig Jahren über diese Geschehnisse zu lesen sein? Wird erst später erkannt, dass der Preis für den Kampf gegen eine Krankheit, die sich vor allem mit Fallzahlen brüstet und politische Immunität geniesst, die Entmenschlichung war?

 

Wer sind wir? Was ist der Sinn des menschlichen Lebens? Was bedeutet Mensch-sein?

Setzen wir unsere Fähigkeiten richtig ein? Werden wir unserer Existenz gerecht? Welche Geschehnisse beeinflussen die Suche nach unserem wahren Kern? Wie oft müssen wir uns selbst dekonstruieren, um zu sehen wer wir sind? Ist zuviel in uns? Zuwenig? Was fehlt?

 

Wir sind Suchende. Jeder für sich. Wir suchen uns selbst. Unseren Sinn. Einen Zweck. Jeden Tag aufs Neue. Manchmal bewusst, manchmal unbewusst. Jeder Mensch findet für sich eine Antwort, die für sein Leben stimmt und sein eigener Antrieb ist. Andere finden nichts und treiben ziellos umher, wie Treibgut im Meer.

 

Gibt es eine einzige Antwort, die jede Frage beantwortet? Eine Antwort, die wie ein Universalschlüssel jede Türe öffnen kann? Eine Antwort, die das Werkzeug ist, wenn wir uns selbst in alle Einzelteile zerlegt haben? Gibt es eine Blaupause für den Menschen? Gibt es eine Antwort die uns über alle Grenzen hinweg vereint und verbindet?

 

Wie könnte sie lauten?

 

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