Türen.

Ein weiteres Jahr neigt sich dem Ende ...

 

Ich versuche für jedes vergangene Jahr ein Bild zu erschaffen. Eine Metapher. Irgendwann kurz vor dem Jahreswechsel fallt mir meistens etwas zu. Die letzten Tage habe ich darauf gewartet und gewartet, doch es hat sich nichts gezeigt. Fast symbolisch hat sich das Jahr versteckt. Aber bestimmt nicht vor mir. Denn, ich habe es gelebt. Jeden Monat. Jede Woche. Jeden Tag. Jeden Moment. Es hat viel von mir abverlangt. Es hat mir aber auch viel gegeben. Es ist vieles passiert und vieles geschehen.

 

Wie schon oft zuvor, habe ich gehört, dass es erneut ein Jahr zum abhaken sei. Kein Jahr für die Geschichtsbücher ... im besten Fall nur als Randnotiz oder Fussnote brauchbar. Das mag für viele stimmen. Vor allem gesellschaftlich gesehen, hatten wir durchaus schon strahlendere Zeiten. Aber dennoch werde ich dieses Jahr nicht einfach vergessen und unter den Teppich kehren. Gerade weil vieles geschehen ist, das mein Leben auf den Kopf und mich immer wieder auf die Probe stellte, ist es eines meiner wichtigsten Jahre.

 

Veränderung geschieht nicht ohne Metamorphose. Kriechen. Häuten. Entfalten. Immer wieder.

 

Jeder Mensch hat seine eigene Geschichte. Sein eigenes Buch. Manchmal hat man Co-Autoren, die mitschreiben und für manchen «Plot-Twist» – eine überraschende und unerwartete Wendung – in der Geschichte sorgen. Manchmal schreibt man im Stillen. Einsam. Wie viele Seiten ein Leben schreibt, ergibt sich aber weniger durch die gelebten Jahre sondern vielmehr durch die erlebten Momente und Ereignisse. Zusammen füllen unsere Lebensbücher eine wunderbare Bibliothek mit einer unendlichen Geschichte, die sich durch Raum und Zeit immer wieder selbst erzählt ...

 

Und heute morgen, hat sich mir in einem unscheinbaren Moment, in einer Alltagssituation, doch noch die Metapher für das vergangene Jahr gezeigt ...

 

Beim Umsteigen im Bahnhof Bern bin ich die Treppe hinaufgestiegen und habe den Zugwagen ausgewählt, dessen Eingangstüre nur ein paar Meter von der Treppe entfernt ist. So wie ich das die letzten Wochen fast täglich getan habe. Üblicherweise stehen die Türen von bald abfahrenden Zügen immer offen. Elektronisch entriegelt oder durch aussteigende Passagiere geöffnet. Heute nicht. Alle Türen waren offen, nur die Türe, die ich anpeilte, nicht. Wohl in der Annahme, das der Verschlussmechanismus defekt ist, haben sich andere Reisende kurz vor der Türe abgewendet und einen anderen, offenen Eingang gewählt.

 

Ich habe mich nicht davon abhalten lassen, die Klinke gedrückt und die Türe geöffnet. Einfach so.

 

Türen wurden viele verschlossen. In diesem Jahr, aber auch in den Jahren zuvor.

Es haben sich aber auch viele geöffnet. Immer wieder. Manche sehen verschlossen aus, lassen sich aber trotzdem öffnen. Manche Türen stehen sperrangelweit offen und wirken dennoch nicht einladend. Was sich hinter den Türen befindet, findet man erst heraus, wenn man über die Schwelle schreitet.

 

Manchmal geben Türen Einlass in Häuser und Gebäude. Manchmal öffnen sie Herzen und Vertrauen. Einige Türen kann man schliessen und den Schlüssel irgendwo versenken. Bei anderen bewahrt man den Schlüssel auf wie ein Schatz. Und wieder bei anderen hat man immer Einlass.

 

«Ich kann dir die Türe nur zeigen, du bist derjenige der hindurchgehen musst.» Morpheus, The Matrix

 

Ich wünsche euch Türen, die sich für immer schliessen, sollte es solche geben ... aber vielmehr wünsche ich euch unzählige Türen, die sich öffnen. Ob aus Glas, Holz, Stahl oder mit Gitterstäben geschützt – ich wünsche euch den Mut, bei verschlossenen Türen einfach mal anzuklopfen oder die Klinke runterzudrücken um zu schauen was passiert ... 

 

 

Türen zu.

Türen auf.

Tretet ein.

Kommentar schreiben

Kommentare: 2
  • #1

    Simone Keller (Freitag, 31 Dezember 2021 23:17)

    Lieber Jwan..wie immer kurz vor Schlafenszeit...ereilt mich eine Story aus Deiner" Feder"...fasziniert mich, hindert mich am Schweigen.
    Ja,die Türen.. sie waren bis letzten Sommer, ebenso wie bei Dir, Teil meines Lebens ,bei der Zusatzausbildung...jedoch auch mein täglicher Inhalt bei der Spitexarbeit.
    Symbolisch sind neue Türen: Überraschung..Hoffnung ..Spannung ..Lernen... Analysieren...Akzeptieren.. Reagieren-ach -und so vieles mehr.
    Ich wünsche Dir,Deinen Lieben und allen -Mut um Türen zu öffnen..aber auch Kraft, diese z schliessen,wenn sie nicht gut tun.
    In diesem Sinne -alles Gute im 22.

  • #2

    Jwan Reber (Dienstag, 04 Januar 2022 08:01)

    Herzlichen Dank für deine Worte und die lieben Wünsche, Simone. Ich wünsche dir für das neue Jahr viel Licht und Zufriedenheit … viele spannende und auffällig-unauffällige Türen, die sich dir öffnen und vielfältige Möglichkeiten bereit halten.